Forschungsleiter Markus Preißinger im Gespräch mit Rektorin Regine Kadgien
(Ausgabe 1 / 2025) Was haben Rektorat und Forschung der FHV gemeinsam? Regine Kadgien und Markus Preißinger setzen auf Kommunikation – nicht nur als Werkzeug, sondern als Schlüsselkompetenz für den Erfolg unserer Fachhochschule im Bodenseeraum und darüber hinaus.

Markus, seit Jänner 2022 lenkst du die Forschung an der FHV. Du startest nun in dein viertes Jahr als Forschungsleiter. Regine, du hast im Oktober das Rektorat übernommen und bringst bereits Erfahrung als Vizerektorin mit. Euer Zusammentreffen für den Forschungsnewsletter ist eine Premiere: der Auftakt unserer Serie „Forschung im Dialog“.
Steigen wir direkt ein: Wo berühren sich eure Themen? Wo trifft die Forschungsleitung auf die Strategie der Hochschule?
Regine: Es geht darum, unseren Lehrenden Forschung zu ermöglichen. Viele Nachwuchsforscher:innen unterstützen in der Lehre. Viele der Lehrenden sind in der Forschung. Wichtig ist, dass Forschende auch in den Entwicklungsteams sind, die unsere Studiengänge vorantreiben. Von sechs Positionen im Kollegium ist eine Position für Forschung vorgesehen.
Markus: Die Verbindungen zwischen Forschung und Lehre ist gesetzlich verankert. Die FHV lebt diese Verbindung allerdings in weitaus größerem Maße als gesetzlich vorgeschrieben. Wir leben sie in beide Richtungen: von der Forschung zur Lehre und umgekehrt. So konnten wir uns als forschungsstarke Hochschule etablieren.
Regine: Forschungsstark bedeutet auch für die Studierenden einen Mehrwert: Durch die Einbindung der Forschung in die Lehre kommen sie früher mit der Forschung in Berührung.
Stichwort Internationalität. Wie sieht hier die Zusammenarbeit aus?
Markus: Mit unseren Projektpartner:innen in internationalen F&E-Projekten öffnen wir oft die Türen für unsere regionalen Partner:innen: Unternehmen, Institutionen oder in der Wirtschaft. Wir haben internationale Forschende, die auch auch in der Lehre tätig sind, englische Kurse geben; wir haben internationale Studierende und internationalen Lehrenden – jeder Studiengang hat ein internationales Semester.
Regine: Wir ermöglichen das durch die Art der Förderprogramme: Es gibt Studierenden-Austausch, Lehrenden-Austausch und den Austausch der Forschenden, etwa mit Partnerhochschulen von RUN-EU. Darüber hinaus gab es all die Jahre davor bereits die Aktivitäten unseres International Office. RUN-EU verstärkt nun diesen Austausch mit institutionalisierten Partner:innen: Gemeinsam erarbeiten wir Forschungsprojekte und Lehrveranstaltungen und setzen sie um.
Markus: Wir wären nie RUN-EU-Partnerin geworden, hätte unser International Office nicht schon die Jahre davor hervorragende Arbeit geleistet und Netzwerke in der EU und weltweit geknüpft.
Regine: Unser Ziel ist es, allen Studierenden internationale Erfahrung anzubieten, beispielsweise in Form von Short Term-Experiences oder Studienreisen.
Wie steht ihr zur Forderung nach einem Promotionsrecht für Fachhochschulen?
Regine: International gesehen gibt es Fachhochschulen mit Promotionsrecht, insbesondere im RUN-EU-Netzwerk. Gerade forschungsstarke Hochschulen sind auf die Möglichkeit zu promovieren angewiesen. Maßstab sollte hier der internationale State of the Art sein.
Markus: Ziel ist es, die besten Köpfe zu gewinnen. Vorab bereits zwischen Unis und Fachhochschulen zu unterscheiden, ergibt von daher keinen Sinn. In Bayern ist das angekommen. Wir wollen qualitätsgesicherte, akkreditierte Programme anbieten dürfen – verglichen mit Universitäten, die das aufgrund ihres Status bereits können.
Regine: Auch Privatunis haben ein Promotionsrecht. Es gibt aus meiner Sicht keinen Grund mehr, warum wir nicht zertifizieren dürfen.
Markus: Wir wollen das, was wir seit jeher machen – nämlich exzellente angewandte Forschung –, mit der Verleihung eines Doktortitels anerkennen dürfen. Die Österreichische Fachhochschul-Konferenz FHK fordert dieses Recht bereits seit Jahren, und die FHV unterstützt sie als ihre Interessenvertreterin in dieser wichtigen Debatte.
Wieso brauchen wir in den Bachelorstudiengängen immer noch Grundlagen, wieso aber ist eine Spezialisierung im Master notwendig? Was antwortet ihr darauf?
Markus: Grundlagen im Bachelorstudium sind wichtig, weil sich die Welt da draußen in einer extremen Geschwindigkeit dreht. Mit guten Grundlagen kann man sich anpassen und dann im Masterstudium spezialisieren.
Regine: Am Markt sind in den letzten Jahren sehr spezielle Nischen-BA-Studiengänge entstanden. Genau das möchten wir nicht. Die notwendigen Grundlagen brauchen wir nach wie vor.
Markus: Um es zu veranschaulichen: Wenn ich Mathe und Thermodynamik im Bachelor nicht verstanden habe, dann kann ich im Master kein Energiesystem optimieren. Eine saubere Methodenausbildung ist unumgänglich.
Regine: Das heißt aber nicht, dass das Bachelorstudium langweilig ist. Es ist sehr projektbezogen. Es geht um den Inhalt und die Anwendungen. Es ist also nicht wichtig, zehn Punkte aufzuzählen, sondern die Studierenden müssen wissen, um beim Beispiel zu bleiben, wie Thermodynamik funktioniert: Verständnis statt Auswendiglernen.
Das bringt uns zu den „Future Skills“. Erzählt uns bitte mehr dazu.
Regine: Wir beschäftigten uns letztes Jahr in einer Arbeitsgruppe damit, welche Skills die Studierenden über das reine Fachwissen hinaus haben sollten. In den folgenden vier Bereichen haben wir insgesamt 16 Skills herausgearbeitet: Professional Mastery (Angewandtes Fachwissen), Academic Attitude (Kritisches Denken und analytisches Arbeiten), Awareness (Reflektieren und bewusstes Arbeiten – Ethik & Nachhaltigkeit) und Social Skills (Zusammen handeln und arbeiten – Kommunikation). Ziel ist es, dass unsere Studierenden von allen 16 Skills etwas mitbekommen und wissen, was hinter den Begriffen steht.
Markus: Vor zwanzig Jahren noch hat man sich sehr stark auf den ersten Bereich – Professional Mastery – konzentriert. Auch, um unsere Region, den Wirtschaftsstandort Vorarlberg, voranzubringen, ist es heute wichtig, dass wir die Studierenden in allen vier Bereichen fördern. Das heißt, wir wollen die „Future Skills“ sowohl in den Studiengängen als auch in unseren Forschungsprojekten fix verankern.
Mit welchen Stärken tragt ihr dazu bei, die Forschung und Lehre der FHV in ihrer vollen Strahlkraft zu präsentieren und sowohl regional als auch international erfolgreich zu gestalten?
Markus: Meine Stärke sehe ich im Storytelling, um den Unternehmen und Partner:innen zu erklären, was wir genau machen und welchen Impact wir haben. Sowohl nach außen als auch nach innen sehe ich mich als eine Art Übersetzer und Vermittler, der Studierende und Kolleg:innen von angewandter Forschung begeistern kann. Ich leite beispielsweise das Research Expert Netzwerk von RUN-EU, und auch hier geht es darum, zwischen unterschiedlichen Kulturen und Typen von Hochschulen zu vermitteln, um gemeinsam Forschungsprojekte auch den Weg zu bringen.
Regine: Ich sehe mich als diejenige, die hilft, die Rahmenbedingungen für Lehrende und Forschende zu schaffen, die sie brauchen. Wir werden unsere Programme aktualisieren, Bachelor und Master zukunftsfest machen. So haben wir etwa die Strategie, 30 % Blended Learning zu integrieren: Es geht hier darum, die Art und Weise, wie wir unterrichten, neu zu gestalten. Wir werden sicher keine Online-Hochschule werden. Vielmehr geht es um den Austausch, die Reflexion.
Markus: Wir haben hervorragende Studiengangsleitungen und Leitungen unserer Forschungszentren sowie Forschungsgruppen, daher sehe ich unseren Job vor allem darin, das Übergeordnete im Blick zu behalten: die Stakeholder, damit wir gemeinsam sinnvoll gestalten können.
Kommunikation also als Schlüsselkompetenz – mit dieser kraftvollen Ressource im Gepäck, wohin kann es in der Kooperation von Forschung und Lehre gehen, welche Akzente wollt ihr setzen?
Markus: Jede studieninteressierte Person in Vorarlberg soll die FHV als erste Ansprechpartnerin haben. Und auch alle, die in F&E aktiv sind, sollen wissen, dass es uns als erste Ansprechpartnerin gibt. Wir wollen also den Bekanntheitsgrad in der Bevölkerung nochmals pushen.
Regine: Unsere Third Mission gibt uns einen starken Impuls, nochmals gezielter hinauszugehen und zu zeigen, was wir können – gleichermaßen in Lehre und Forschung. Wir wollen noch stärker in die Diskussion kommen, zum Beispiel mit Initiativen wie der Langen Nacht der Forschung.
Markus: Die gesamte Gesellschaft in Vorarlberg soll sehen, was die FHV macht und welchen Impact sie hat. Gerade in einer Zeit, in der wissenschaftliche Erkenntnisse zunehmend hinterfragt und kontrovers diskutiert werden, wollen wir ein Garant für fundiertes Wissen und wissenschaftliche Integrität sein.
Habt ihr eine gemeinsame Botschaft?
Regine blickt in die Runde: Ja, Forschung und Lehre gehören bei uns zusammen: Das eine ohne das andere gibt es nicht.
Zu den Personen:
Regine Kadgien kommt aus Vorarlberg und studierte Telematik an der Technischen Universität Graz, wo sie 2001 in technischen Wissenschaften mit Auszeichnung promovierte. 2002 begann ihre Karriere – zunächst als Hochschullehrerin für Informatik – an der FHV. Ab 2003 war sie zudem Studiengangsleiterin für Informatik, und seit 2022 ist sie Leiterin des Kompetenzfelds Informatics im Fachbereich Technik. Seit vielen Jahren gehört Regine zum Kollegium der FHV. Von 2006 bis 2011 hatte sie bereits die Position der Vizerektorin an der FHV inne. 2022 wurde sie für ihre Verdienste, die Begeisterung für Technik und Informatik bei jungen Menschen zu wecken, vom Land Vorarlberg mit dem Großen Verdienstzeichen ausgezeichnet. Seit Oktober 2024 leitet Regine das Kollegium der FHV als FHV-Rektorin.
Markus Preißinger ist gebürtiger Allgäuer. Nach dem Abitur verbrachte er ein Jahr in Australien und Neuseeland bevor ihn die Universität Bayreuth 13 Jahre lang in ihren Bann zog: Studium, Doktorat, Postdoc und der Aufbau des Zentrums für Energietechnik als Geschäftsführer. Im August 2017 wechselte Markus als illwerke vkw Stiftungsprofessor für Energieeffizienz und Leiter des Forschungszentrums Energie an die FHV. Es folgte die Leitung des Josef Ressel Zentrums für Intelligente Thermische Energiesysteme sowie die Übernahme der Forschungsleitung. Seit Juli 2024 ist Markus Prokurist der FHV und Forschungsleiter. Zudem leitet er das Research Expert Network in der Europäischen Universität RUN-EU.
Bei Interesse sind Sie herzlich eingeladen mit Regine und Markus in Kontakt zu treten.