Gebt thermischen Energiesystemen ein Gehirn

 

(Ausgabe 1 / 2025) Treffen sich ein Thermodynamiker und ein Mathematiker… Das führte 2020 zur Gründung des Josef Ressel Zentrums für Intelligente Thermische Energiesysteme - JRZ ITES.

Was ein Josef Ressel Zentrum ist und wie Vorarlbergs Unternehmen davon profitieren, lesen Sie in diesem Leitbeitrag von Markus Preißinger zum FHV-Querschnittsthema Digitalisierung im Bereich Energie und Umwelt.

Präsentation auf der Abschlussveranstaltung des JRZ für Intelligente Thermische Energiesysteme | © FHV

Forschung und Entwicklung – vier Säulen für eine nachhaltige Wirkung 

Damit Forschung und Entwicklung nachhaltig Wirkung in Form von innovativen Produkten und Geschäftsideen entfalten können, braucht es vier Säulen: eine Idee, die richtigen Personen, ein passendes Förderinstrument und Zeit.

Schon vor meinem Wechsel von der Universität Bayreuth an die FHV – Vorarlberg University of Applied Sciences im August 2017 hatte ich die Idee, Systeme und Technologien digitaler zu machen – und zwar im thermischen Bereich. Ich wollte das oft vernachlässigte Thema des Betriebs und der Optimierung von thermischen Energiesystemen in einer zunehmend digitalen Welt am Forschungszentrum Energie verankern. 

Glücklicherweise fand ich hierzu Personen, die einerseits ein grundlegendes Verständnis von thermischer Energietechnik hatten und andererseits wichtige Kompetenzen einbringen konnten, die mir fehlten.

Peter Kepplinger konnte als ausgebildeter Mathematiker nicht nur modellieren, sondern er konnte Optimierungsprobleme so formulieren, dass sie mit modernen Algorithmen lösbar waren. Gerhard Huber brachte langjährige Industrieerfahrungen aus dem Betrieb von thermischen Energietechnologien ein. Gemeinsam gingen wir auf die Suche nach geeigneten Partner:innen und Fördermitteln.

Josef Ressel Zentren für Spitzenforschung von und mit Unternehmen

Das Förderinstrument war schnell klar: Wir wollten ein neues Josef Ressel Zentrum an die FHV holen. Diese Zentren kombinieren angewandte Grundlagenforschung mit konkreten Problemstellungen aus der Industrie und werden daher zur Hälfte vom Bund finanziert, zur Hälfte von den Partnerunternehmen. Sie geben mit einer Laufzeit von fünf Jahren ausreichend Zeit, Spitzenforschung zu betreiben, sie sind aber auch so flexibel, dass Inhalte auf sich verändernde Bedürfnisse der Partner:innen angepasst werden können. Sie bieten also Zeit und Flexibilität – in unseren Augen Schlüsselelemente für Innovationen in Projekten mit Unternehmen. 

Fünf Vorarlberger Unternehmen waren überzeugt von unserer Idee und wurden Teil des neuen Zentrums:  

  • DieffenbacherEnergy (ehemals BERTSCHenergy) bietet Lösungen für Projektentwicklung, Anlagendesign und Messtechnik im Bereich Kraftwerksplanung und -bau.
  • Gantner Instruments ist spezialisiert auf Sensor-Datenerfassung und -verarbeitung in Test- und Messsystemen und bietet eine eigene Cloud-Umgebung mit Datenauswertung an.
  • Netzer MSR GmbH ist spezialisiert auf die Planung und Überwachung maßgeschneiderter Anlagenkonzepte für industrielle Unternehmen im Bereich Heizung, Kühlung und Lüftung. 
  • Rupp AG setzt als größtes familiengeführtes Unternehmen in der österreichischen Milchindustrie bei der Herstellung von Käseprodukten auch auf Energieeffizienz.
  • Weider Wärmepumpen GmbH entwickelt innovative Wärmepumpen mit dem Ziel, höchste Effizienz und Qualität zu erreichen 

Innovationen made in Vorarlberg 

 

Mit einem interdisziplinären Team aus acht Forschenden und gemeinsam mit unseren Unternehmenspartner:innen konnten wir in den letzten fünf Jahren wichtige Impulse für Innovationen made in Vorarlberg geben, so z.B.

  • Vorhersagemethoden für thermische Kraftwerke: DieffenbacherEnergy nutzt unsere Vorhersagemethoden zur optimierten Betriebsführung ihrer Kraftwerke und setzt dabei ein Cloud-System von Gantner Instruments ein.
  • Optimierung von Kühlsystemen in der Lebensmittelindustrie: Durch die Implementierung der modellprädiktiven Regelung und die Nutzung von Cloud-Datenanalysen können wir die Energie- und Kosteneffizienz von Kühlsystemen der Rupp AG erheblich steigern.
  • Wärmepumpensysteme der Zukunft: In einer Cloud-Umgebung analysieren wir mit Weider Wärmepumpen kontinuierlich die Daten von Wärmepumpen, um fehlerhafte Betriebszustände frühzeitig zu erkennen und zu beheben. Dies ermöglicht es uns, die Zuverlässigkeit und Effizienz von Wärmepumpensystemen zu erhöhen.
  • Energieeffiziente Regelung von Lüftungssystemen: Durch die Kombination von maschinellem Lernen und Expert:innenwissen entwickeln wir intelligente Regelungsstrategien, die den Energiebedarf von Lüftungssystemen der Netzer MSR minimieren.   

Wir konnten damit zeigen, dass sich die Haupthypothese des Josef Ressel Zentrums nach fünf Jahren gemeinsamer Forschung und Entwicklung bestätigt hat: Die vielen bisher verlorenen Betriebsdaten, die mit unterschiedlichen Technologien (Cloud, zentraler physischer Speicher oder auf dem Gerät) gespeichert werden, können durch die Integration von Systemidentifikations- und Optimierungsansätzen genutzt werden – dies sowohl wissenschaftlich in der Forschung als auch wirtschaftlich in den Vorarlberger Unternehmen.

Und was geschieht jetzt, fragt man sich vielleicht? Die Unternehmen werden die gemeinsamen Innovationen weiterentwickeln und in ihren Geschäftsbereichen einsetzen. Die Studierenden, die ihre Masterarbeit im Projekt durchgeführt haben, setzen als dringend benötigte Fachkräfte neue Impulse in der thermischen Energietechnik. Die drei Promovierenden schließen ihre Dissertation ab und stärken damit das Ansehen des Forschungszentrums Energie in der wissenschaftlichen Community. Nicht zuletzt hat die FHV einmal mehr bewiesen, dass sie eine verlässliche Partnerin für angewandte Forschung mit Unternehmen ist.

 

Alle Josef Ressel Zentren der FHV auf einen Blick: 

JRZ für Robuste Entscheidungen

JRZ für Intelligente Thermische Energiesysteme

JRZ für Angewandtes Wissenschaftliches Rechnen in Energie, Finanzwirtschaft und Logistik

JRZ für Materialbearbeitung mit ultrakurz gepulsten Laserquellen

 

Zum Autor:

Markus Preißinger leitete von 2017 bis 2024 das Forschungszentrum Energie der FHV und von 2020 bis 2025 das Josef Ressel Zentrum für Intelligente Thermische Energiesysteme. Seit 2022 setzt er sich als Forschungsleiter der FHV für eine noch stärkere Kooperation der FHV mit regionalen Unternehmen und Institutionen ein, da er überzeugt ist, dass dies den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Vorarlberg nachhaltig stärkt. Privat findet man ihn auf einem seiner Fahrräder in den Vorarlberger Bergen und Tälern – mal allein, mal mit Familie.

Bei Interesse an einem zukünftigen Josef Ressel Zentrum oder auch einer sonstigen Kooperation mit der FHV sind Sie gerne eingeladen, mit dem Autor in Kontakt zu treten.

 

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Februar 2025