In einem Atemzug mit Lise Meitner
(Ausgabe 2 / 2024) Sandra Stroj, Materialforscherin am Forschungszentrum Mikrotechnik und Preisträgerin der Christian Doppler Forschungsgesellschaft, inspiriert als Role Model in dem Kinderbuch "Wer macht MI(N)T?" künftige Forscher:innen.
Zusammen mit der knapp hundert Jahre älteren Kernphysikerin Lise Meitner wird Sandra Stroj in einem pädagogisch aufbereiteten Kinderbuch für Volksschulen in ganz Österreich als Role Model für erfolgreiches Forschen in den Naturwissenschaften und in der Technik vorgestellt. Das freut die leidenschaftliche Materialwissenschaftlerin sehr. Dabei war Sandras Weg in die Wissenschaft alles andere als vorhersehbar.
Sandras Weg in die Wissenschaft
Ihre Entscheidung für ein Technikstudium beschreibt Sandra als ziemlich spontan. „Meine früheren Pläne waren ganz andere: eher musisch, gestaltend.“ In den Naturwissenschaften hatte sie sich aber immer schon leichtgetan, und da fiel nach der Matura sehr kurzfristig die Wahl auf den damaligen Diplomstudiengang Fertigungsautomatisierung an der FHV.
Sandra lächelt: „Wenn du dich einmal entschieden hast für eine akademische Karriere im MINT-Bereich, dann ist der größte Schritt eigentlich getan.“ Die langjährige wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungszentrum Mikrotechnik ist überzeugt, Mädchen falle es immer noch schwerer, die Entscheidung für ein naturwissenschaftliches oder technisches Studium überhaupt zu treffen: Tief verankerte und weit verbreitete Rollenbilder sind die größte Hürde. „Wenn der eigene Sohn manchmal sagt, das kann der Papa besser als die Mama,“ so stimmt das Sandra nachdenklich: „Wo haben die Kinder diese Bilder her?“
Ein inspirierendes Kinderbuch
Das Buch „Wer macht MI(N)T? Auf den Spuren von Frauen in Naturwissenschaften und Technik“ für Kinder im Volksschulalter ist aus der österreichweiten Empowerment-Initiative Lea heraus entstanden. Lea steht für Let's empower Austria und möchte genau solche Rollenbilder aufbrechen.
Die Initiatorinnen machen dafür sehr viel, berichtet Sandra. Sie gehen in Schulen, und die Webseite mit Porträts von inspirierenden Frauen, die als Role Models für die verschiedensten beruflichen Bereiche über ihre Mädchenjahre, ihren Ausbildungsweg und aus ihrem Leben erzählen, wächst ständig. Gleichwohl dringen die Aktivitäten von Lea nicht wirklich bis nach Vorarlberg vor, so Sandra. Der Fokus liege auf dem Wiener Raum. Umso schöner, dass es die FHV-Forscherin in dieses außergewöhnliche Kinderbuch geschafft hat.
Wie ist es dazu gekommen?
Es kam ein Anruf, erzählt Sandra, die mittlerweile seit über zwanzig Jahren am Forschungszentrum arbeitet und in den Bereich der Photonik sehr viel Erfahrung und Engagement einbringt. Von 2013 bis 2018 leitete sie fünf Jahre lang erfolgreich das erste Josef Ressel Zentrum an der FHV, thematisch ausgerichtet auf Laser-Materialbearbeitung. Nach der Verleihung des renommierten Forschungspreises der Christian Doppler Gesellschaft 2022 wurde sie viel auf ihre Forschung zu ultrakurzgepulsten Laserquellen angesprochen. Sandra war in den Medien: „Das war genau in der Zeit, als das Buch organisiert wurde.“
Im Buch, das allein schon durch seine grafische Gestaltung bezaubert, gibt Sandra jungen Leser:innen und künftigen Forscher:innen einen Rat: „Wenn dich etwas interessiert, dann mach es! Ich bin mir sicher, wenn eine:n etwas ganz, ganz besonders interessiert und man es gerne macht, dann wird man auch irgendwann gut darin.“
Dranbleiben und nicht aufgeben
Neben Neugierde und Entdeckungsfreude, die sich Sandra aus ihrer Kindheit bewahrt hat, ist Beharrlichkeit, das Dranbleiben an einer Sache, eine Charaktereigenschaft, die sie auf ihrem beruflichen Weg weitergebracht hat: „Etwas Angefangenes aufgeben: Das mache ich nur, wenn es gar nicht anders geht.“
Nach Abschluss ihres vierjährigen Diplomstudiums wollte sie weiterlernen, das Doktorat machen. Um dafür die Berechtigung zu erhalten, holte sie in Wien an der Technischen Universität das (damals dafür vorgeschriebene) fünfte Studienjahr nach. Von zuhause kannte sie „die typische Rollenverteilung“: Der ältere Bruder ging in die HTL, der Vater arbeitete, die Mutter war Hausfrau. „Ich wäre auch selber nicht auf die Idee gekommen“, betont Sandra nochmals und meint damit rückblickend ihre Studienwahl: „Ich bin wirklich hineingestolpert. Das Leben hat viele Zufälle.“
Forschungsschwerpunkt Laser und Kooperationen in der Quantenphotonik
Überlässt die exzellente Wissenschaftlerin die Wahl ihrer Forschungsprojekte heute auch dem Zufall? Auf diese Frage hat Sandra ein klares Nein. Laser ist ihr Forschungsschwerpunkt. Neue Methoden in der Laser-Materialbearbeitung war das Thema ihrer Dissertation. Dabei ist sie geblieben, und darin ist sie stark: Sandra sieht in der Kontinuität einen Schlüssel für ihre ausgezeichneten Forschungsleistungen. Gerade beginnt ein neues großes EU-Projekt, entstanden aus einer über zehnjährigen profunden Zusammenarbeit mit Quantenoptiker:innen, neben anderen mit den Universitäten Oxford und Cambridge als Forschungspartner:innen. Sandra leitet das österreichische Konsortium.
Zur Person:
Sandra Stroj, 49 Jahre alt und Mutter von einer Tochter und einem Sohn, ist in Hard aufgewachsen. Sie studierte an der FHV Fertigungsautomatisierung und promovierte an der Technischen Universität Wien in Photonik. Seit 2001 arbeitet sie am Forschungszentrum Mikrotechnik. 2013 bis 2018 leitete sie das Josef Ressel Zentrum für Materialbearbeitung. Für ihre Forschung im Bereich der Laserablation mit ultrakurzgepulsten Laserquellen erhielt sie das begehrte Marie Curie Research Fellowship. Sandra wurde für ihre Arbeit mehrfach ausgezeichnet und ist auch in der Lehre der FHV tätig.
In ihrer freien Zeit ist sie am Wasser anzutreffen.
Das Lea-Kinderbuch samt Begleitheft ist kostenfrei als PDF erhältlich.
Tipp: In unserer Bibliothek lässt sich das schöne Buch auch haptisch aufblättern.